Saarbrücker Informatiker sagen mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz Blitz und Donner voraus
Zusammen mit dem Deutschen Wetterdienst arbeiten Informatikprofessor Jens Dittrich und sein Doktorand Christian Schön von der Universität des Saarlandes nun an einem System, das örtliche Gewitter präziser als bisher vorhersagen soll.
Freitag, 28 Juni, 2019
Anfang Juni hat der Deutsche Wetterdienst innerhalb weniger Tage 177.000 Blitze am Nachthimmel gezählt. Das Naturschauspiel hatte Folgen: Durch Sturmböen, Hagel und Regen wurden mehrere Personen verletzt. Zusammen mit dem Deutschen Wetterdienst arbeiten Informatikprofessor Jens Dittrich und sein Doktorand Christian Schön von der Universität des Saarlandes nun an einem System, das örtliche Gewitter präziser als bisher vorhersagen soll. Es basiert auf Satellitenbildern und Künstlicher Intelligenz. Um diesen Ansatz genauer zu erforschen, erhalten die Forscher vom Bundesverkehrsministerium 270.000 Euro.
Früher vor gefährlichen Wetterlagen warnen
Eine der Kernaufgaben von Wetterdiensten ist die Warnung vor gefährlichen Wetterlagen. Dazu gehören vor allem Gewitter, da diese oft mit Sturmböen, Hagel und heftigen Regenfällen einhergehen. Der Deutsche Wetterdienst setzt dafür das System „NowcastMIX“ ein. Es fragt alle fünf Minuten mehrere Fernerkundungssysteme und Beobachtungnetze ab, um in den kommenden zwei Stunden vor Gewittern, Starkregen und Schneefall zu warnen. „Jedoch kann NowcastMIX die Gewitterzellen erst erkennen, wenn bereits Starkniederschlag auftritt. Daher versucht man mittels Satellitendaten die Entstehung der Gewitterzellen früher zu erkennen, um entsprechend früher davor zu warnen“, erklärt Professor Jens Dittrich, der an der Universität des Saarlandes Informatik lehrt und die Gruppe „Big Data Analytics“ leitet.
Ergänzung zu bisherigen Systemen
Zusammen mit seinem Doktoranden Christian Schön und dem Meteorologen Richard Müller vom Deutschen Wetterdienst hat er daher ein System entwickelt, das NowcastMIX bald bei der Vorhersage von Gewittern ergänzen könnte. Ihr Projekt ist ein erster Schritt, um die Einsetzbarkeit von Künstlicher Intelligenz in der Vorhersage von Wetter- und Klimaphänomen zu erforschen.
Zweidimensionale Bilder zeigen dreidimensionale Entwicklungen
Um Gewitter in einer bestimmten Region genau vorhersagen zu können, muss die so genannte Konvektion von Luftmassen, also das Aufsteigen erwärmter Luft bei gleichzeitigem Absinken kälterer Luft in der Umgebung frühzeitig und präzise erkannt werden. Das ist bereits seit Langem bekannt. Der Clou des neuen Systems besteht jedoch darin, dass es zum Erkennen dieser dreidimensionalen Luftverschiebungen lediglich zweidimensionale Bilder, nämlich Satellitenbilder, benötigt.
„Fehler“ als Eingabe in Algorithmus
Um auf den zweidimensionalen Bildern zu erkennen, was dreidimensional am Himmel passiert, verwenden die Forscher Aufnahmen, die im Abstand von fünfzehn Minuten fotografiert wurden. Ein Teil der Bildserie für das jeweilige Gebiet geht als Eingabe an einen Algorithmus, der berechnet, wie das zukünftige, nicht eingegebene Bild aussehen würde. Dieses Ergebnis gleichen die Wissenschaftler dann mit dem realen Bild ab. Die Größe der Abweichung zwischen Prognose und Realität, die Forscher nennen es „den Fehler“, dient dann als Eingabe für einen zweiten Algorithmus, den die Forscher mit Hilfe von maschinellem Lernen darauf trainiert haben, den Zusammenhang zwischen Fehlergröße und Auftreten eines Gewitters zu erkennen.
Künstliche Intelligenz erkennt Muster, die Menschen nicht sehen
Auf diese Weise können sie berechnen, ob es blitzt und donnert oder auch nicht. „Das ist die Stärke, wenn wir Künstliche Intelligenz auf große Datenmengen anwenden. Sie erkennt Muster, die uns verborgen bleiben“, erklärt Professor Dittrich. Auch aus diesem Grund hat er gerade zusammen mit weiteren Kolleginnen und Kollegen den neuen Bachelor- und Master-Studiengang „Data Science and Artificial Intelligence“ initiiert.
Genauigkeit von 96 Prozent
Bei Blitz und Donner sei diese Kombination auf jeden Fall „vielsprechend“, so Dittrich. „Alleine auf Basis der Satellitenbilder können wir Blitze mit einer Genauigkeit von 96 Prozent für die nächsten 15 Minuten vorhersagen. Wird das Zeitfenster der Vorhersage weiter geöffnet, verringert sich die Genauigkeit, bleibt aber bei bis zu fünf Stunden immer noch über 83 Prozent.“ Allerdings ist die Quote der Fehlalarme noch zu hoch, so die Forscher. Sie glauben jedoch, diese erheblich senken zu können, wenn sie ihr Modell auf weitere Merkmale trainieren, die beispielsweise auch das aktuell eingesetzte System NowcastMIX nutzt. Um dies genauer zu erforschen, hat das Bundesverkehrsministerium den Informatikern aus Saarbrücken bereits 270.000 Euro bewilligt.